Nocte Obducta Nektar Teil 2: Seen, Flüsse, Tagebücher 1. Anis (Desîhras Tagebuch - Kapitel I) 2. Und Pan spielt die Flöte (Desîhras Tagebuch - Kapitel II) 3. Im siebten Mond (Desîhras Tagebuch - Kapitel III) 4. Es fließe Blut 5. Nektar 6. Atme 1. Anis (Desîhras Tagebuch - Kapitel I) Manchmal frage ich mich, denkst du überhaupt noch an die Tage, die da waren, als noch lebte, was bald welkte und verblich? Manchmal denke ich zurück an früher, als so vieles neu war, und es ist berauschend und erfüllend wie das, was verstrich Manchmal spüre ich noch fast wie Tränen die Erinnerung an Nächte, Tage, Abende, auf ewig in mein blut geschrieben Manchmal bin ich wieder, der ich damals war, dann wenn ich treibe auf den Flüssen jener Zeit, von der so viel in mir geblieben Auf eisg'en Monden sprossen märchenhafte Gärten Und in den Sternen klang ein Lied, das Aufbruch hieß Aus meinem Herz entprangen Wege in die Freiheit ...und über allem lag ein sanfter Hauch Anis In mir singen meine Toten, hohle Chöre schwellen an Bis die Zeit wie Glas zerspring und schneidet mich in scharfer Qual Doch es ist ein süßer Schmerz, als mein Blut mit den Liedern fließt Und benetzt mit roten Träumen schneide ich mich noch einmal Denn in alten, kalten Grüften ruhen liebliche Gebeine Gerne steige ich hinab unter dem zweiten Mond, dem bleichen Dunkle Augenhöhlen wissen, dass ich nie vergessen werde Was sie waren in den Tagen von noch jungen Königreichen Draußen auf den weiten Wiesen, auf den Feldern junger Träume Wird schon bald die Nebelsonne sich aus ihrem Schlaf erheben Morgentau in jenen Zeiten schmeckt wie Tränen aus Anis Die einer weint, der weiß, er wird sein Gestern nicht noch mal erleben 2. Und Pan spielt die Flöte (Desîhras Tagebuch - Kapitel II) Ein Elexier aus kalten Urnen lebhaft Floss in unserem Blut Das Kriechervolk im Schlamm sprach falsch und schürte unsre Wut Wie Märchen kamen Schriften auf uns und vergess'ne Lieder Besuchten uns in unseren Träumen, kehrten stetig wieder Und trotz der Flüche und des Zorns war Platz für frohe Worte Wir lachten, denn wir glaubten noch an andre, bess're Orte Ein mildes Lächeln ob der eklen Kriecher tumben Possen Doch bald lag alles weit zurück und schien mir wie zerflossen Niemals wird Vergessen die Gebeine dieser Tage Gleich Lethes Flut verschlingen, sind die Zeiten auch verronnen Denn nichts ward je begraben, und was bleibt sind Kenotaphe Und ein Blick zurück, den Pfad entlang, der irgendwo begonnen Auch heute sucht mein Blick nicht lange vor Frühlingserwachen Auf der anderen Flussseite die großen, kahlen Bäume Und wenn hinter mir wie Messing blutend sich die Sonne senkt Dann leuchtet warm das kalte Holz und schickt mir neue Träume Und dieser Fluss, der viel gesehen, viel mit sich genommen Was wäre, wenn er ruhte wie ein See, nicht fließend, sondern still Und alles, was man ihm geschenkt, behielte er und verwahrte Wäre dann mein Spiegelbild in ihm ein andres Bild...? Was bleibt, sind viele Worte, deren viele nicht geschrieben Was bleibt, sind schöne Bilder, die fast alle nicht gemalt Und Träume, die verwahren, was noch wartet auf Erfüllung Und die Hoffnung, dass noch irgendwann der alte Glanz erstrahlt Was bleibt, sind diese Zeilen, die mehr fühlen als sie sagen Was bleibt, sind diese Lieder, die aus tausen Träumen klingen Und vieles wird verloren sein, und keiner wird es finden Doch irgendwer wird irgendwann noch diese Lieder singen Als eines nachts der Frühling kam, da brachte er die Freude Schuf Sinnbilder der Lebenslust und nie gekannte Freiheit Und schrieb in meinen Träumen dennoch Sagen voller Trauer Und Mythen voller Weltenschmerz toter Vergangenheit Der Finsternis, die wir erdachten, erwuchsen neue Pfade Die kannten einen Weg ans Licht, obschon sie voller Schwärze Der Taumel der Gefühle war der Hirte dieser Wege Denn das Ziel all jener Reisen war ein Spiegelbild der Herzen Verzweiflung und Verzückung waren untrennbar verworren Der Widerspruch in allem schien sich selber zu verspotten Die Gier, die Pein zu spüren, schrie in meinen heißen Schläfen Und um unsere Fluchtburg schien ein Weltbild zu verrotten In kalten Katakomben wuchsen greuliche Visionen Und unter einem jungen Himmel starb ein alter Frieden Und dennoch schien ein Zerrbild seiner selbst in sich zu verhöhnen Und stürtzte sich auf all die Missgeburten, die uns mieden So waren also Hass und Liebe unzertrennbar verbunden So war der Weg zu neuen Ufern nicht zu überschauen So war doch dieser Weg der einz'ge Pfad, den wir verstanden So spürten wir nicht ohne Qual des Lieben eis'ge Klauen Und unvermittelt sah ich in den Spiegeln nur noch Schöpfer Und Welten, die zuletzt ich in der Kinderstube sah Der Zwiespalt zwischen Traum und Überlebeben schuf ein Chaos Das unter Schmerzen und doch lächelnd eine neue Welt gebar Und so entstanden Worte, die auf taube Ohren stießen Wie Artefarkte eines Traumes in einer toten Welt Gesten, die dem blinden Mob wie zum verzehr geboten Was, wenn der letzte Barde unrettbar in Disseits fällt...? Desîhras Tagebuch Schreibt in meinem Herzblut Von Wahnsinn und von Weisheit In reich verzerrten Lettern Desîhras Tagebuch Weiß um einen alten Fluch Liest zwischen allen Zeilen In leicht vergilbten Blättern "Sieh nur die Puppen, sie tanzen In dämmrigen, kränkelndem Licht Sieh nur die Augen, den Schmerz und die Angst Der Schrecken im lächelnden Puppengesicht Sieh nur ihre lieblichen Kleidchen Das Zucken auf zitternden Füßen Der Missklang der Töne, die Kakophonie Ein erschreckendes Bild, sich die Zeit zu versüßen" Süß sind die Früchte, doch faulten die Wurzeln Schon als voller Omen der Frühling begann In den Ästen die Vögel mit eiskalten Augen Sie singen von nichts als dem Weltuntergang So bringt uns die goldenen Äpfel, denn die, an die der Norden glaubt Sind fabelhafte Gärtner,... obschon uns vor dem "ewig" graut Doch nichts ist mehr so, wie es einstmals war Und so ist auch das "ewig" gestorben Die Früchte, die brachten, wonach alle trachten Sind schön, doch schon lange verdorben Weit fort von den Zinnen verblendeten Lärms Dort draußen, weit hinter den Toren Liegt fast unerreichbar das Land, das wir suchten Das "morgen" ist noch nicht verloren ...und Pan spielt die Flöte 3. Im siebten Mond (Desîhras Tagebuch - Kapitel III) Im siebten Mond warf ich mein Spiegelbild noch einmel in den Fluss Er hat es nicht behalten... Im siebten Mond floss Blut wie dieser Strom in jedem reinen Ton Und wollte nicht erkalten... Wo war dein Schwert, Gefährte meiner Wege Als der Schlachtruf klang? Wo war deine Stimme Als an Feuern man unsere Lieder sang? Wir waren Kinder eines jungen Königreichs, das starb Kinder des Morgens, doch wir liebten die Nacht Und in den einfachen Krügen der Wein So klar So rein War all dein Träumen nur Flucht? Hast du den Traum nie gesucht? 4. Es fließe Blut Ich sitze stumm auf starrem Stein mit kaltem Staub in meinen Augen, während draußen vor der Grust der Sommer tanzt Ich wälze Chroniken, in denen steht, dass ich erstmals gelebt, doch dann hat sich mein Herz in diesem Grab verschanzt Mein Schädel pocht wie voll geronn'nem Blutes, und doch leer wie ein Verlies, wo ungehört mein Hilferuf verhallt Das Siechtum sitzt wie feuchter Moder in den Gliedern, doch ich werde aufersteh'n, noch ist der eig'ne Tod zu kalt Ich bin der Wind, der deine Kerze flackern lässt, wenn du alleine bist und glaubst, ich wüsste keinen Pfad zu dir Ich bin der Schatten, der an deinen Wänden tanzt, wenn du schon lange schläfst und träumst von einem Kratzen an deiner Tür Du bist das Blut, das mir die Sinne schwinden lässt, wenn es die Lippen mir benetzt, du hast den Durst wieder geweckt Dein Lachen hallte bis hinab in meine Gruft, und wer mich ruft, der träumt von mir, all deine träume sind befleckt Es fließe Blut! 5. Nektar Mein Denken tropft verträumt wie Honig, und das Glas in meiner Hand Es träumt von Rauchgold und der Sonne, starr zerfließt die bleiche Wand Dort draußen auf dem See treibt viele Stunden schon der Mond dahin Und schenkt der Herbstnacht fahle Blicke voller Weiheit ohne Sinn Der Geist in zähem Honig Im trunken süßer Nacht Wäre Blut für einen Brief, doch der See ist schwarz und tief Und voll der schweren Worte Die warten auf Geburt Heute nicht, doch irgendwann spült der See sie sicher an Wünsche glüh'n am Firmament, wann immer ich mich dorthin wende Manchmal stürzt ein Stern herab und fällt verträumt in meine Hände Heute Nacht kann ohne je zu stürzen ich mich fallen lassen Während Sterne weiterziehen und am Horizont verblassen Vielleicht bist du die Sonne, die mich morgen am Horizont grüßt Vielleicht das Licht nach Nächten voller Leere, das den Tag versüßt Vielleicht ist alles nur ein Traum, vielleicht ein vorbestimmter Lauf Ich weiß, die Sonne geht an mehr als nur einem Morgen auf Von draußen greift der junge Herbst wieder nach den einsamen Herzen Hebt nun eure Gläser, lacht und spürt wieder der Sehnsucht Schmerzen Denn solange Wunden pochen, Narben unsre Seele zieren Fließt noch Blut und strömt noch Geist, so lasst uns etwas Zeit verlieren 6. Atme Endlich hat es aufgehört, zu regnen Und nur das junge Laub verliert noch manche Träne Über uns Ein Parfüm von feuchter Erde Das letzte Tageslicht Die Hände feucht und kalt Vom Pflücken zarter Blumen Die schwer und so gebeugt von zu viel Nass Doch langsam kommt ihr Duft zurück Wie lange? Frag ich dich Denn sterben werden sie in unsren Händen Jetzt, wo sie entwurzelt sind durch mich Für dich Doch schweige still, antworte nicht Wir wollen nicht die Stille auch noch töten Noch nicht Lausche nur dem Duft des klammen Frühlingsabendlichts Und Atme Der letzte Herbst war mir ein ein Starren aufs Schafott Der letzte Herbst war mir ein Mord an einem Gott Der letzte Herbst war mir ein gnadenloser Blick Des Henkers der mich auf mein schwaches, knöchernes Genick Der letzte Winter war mir ein tiefes, kaltes Grab Der letzte Winter war mir ein Traum, den es nie gab Der letzte Winter war Erwachen in der Nacht Schutzlos und nackt und zitternd um den Schlaf gebracht Alles in mir schreit nach Leben, ich war viel zu lange tot Ein Frühlingsregen tilgt das Übel, welches Lächeln mir verbot Doch wo in mir sind jene Worte, die da öffnen jene Türen Die mir deine Augen zeigten, die zurück ins Leben führen... Hinter diesen Augen liegt ein See, so tief und ohne Hast Und alles soll ertrinken, was ich meuchlte, was mich nun hasst Ich weiß, ich werde niemals mehr so unbeschwert wie damals sein Doch Lethe weint diesen tiefen See, so wasche er mich rein... Es sinkt die dampfende Sonne leis' in nebligen Schlaf Es regt sich Bedauern im Herzen, wo mein Scheitern mich traf Denn es wecken verstummte Ruinen so viel schlafendes Gestern Es ruht wie die Tränen um früher junger Regen auf Gras Es schmiegt sanft sich Moos an Ruinen, die ich niemals vergaß Doch ich spüre mein Herz wieder schlagen Das gefroren war Lasse dein Flüstern im Wind mit dem Rascheln Der noch jungen, wiegenden Blätter verschwimmen Eins werden Atmen und Abend und Blicke Und Worte der sehnsüchtig wispernden Stimmen Nach kalten Jahren... Ich entsinne mich der Glut des Blutes unter Haut Noch ist mir die Wärme von Geborgenheit vertraut Ruinen Tempel Atme