Fäulnis Snuff || Hiroshima 1. Grauen Im alten Haus brennt wieder Licht Doch das kannst Du nicht mehr sehen Das Augenlicht schon längst erloschen Alles taub und schwarz Die Augen ausgekratzt Die Fingerspitzen abgeschält und ausgebrannt Gebrochene Nase, blutig und verkrustet Aus den Ohren wächst ein Gestrüpp aus Draht Die Zunge mit der Schere rausgeschnitten Angst, Paranoia! Das Haus verwittert auf den Klippen zum Meer Zerfressen von Zeit, Enttäuschung und Wut Der Nebel verschleiert alles was war Im Inneren ausgeweidet, leblos und starr Verstümmelt, reglos liegst Du da Denkst, da muss doch jemand sein Kannst nichts sehen, nichts hören nichts spüren Begreifst es nicht, Du bist allein Du liegst da und bist ein Krüppel Das wolltest Du immer sein Hast Dich selbst so zugerichtet Und stirbst für Dich allein 2. Weil wegen Verachtung Diese Tage, an denen Du aufwachst, Aus dem Bett kriechst Und vor die Tür gehst Den Duft riechst von Blumen Meist verweste aus dem Abfall Wenn die Wut kommt, oft Verzweiflung, Die Dich zuschnürt und nicht mehr loslässt Dann rennst Du, immer schneller, Weil der Kopf nicht anders kann Spürst du wie die Halsschlagader spannt - Jeder Muskel sich verkrampft Mehr Hass Mehr Wut Gewalt Eskalation Dekonstruktion Diese Tage, an denen Du aufwachst, Aus dem Bett kriechst Und vor die Tür gehst Den Duft riechst von Blumen Meist verweste aus dem Abfall Wenn die Wut kommt, oft Verzweiflung, Die Dich zuschnürt und nicht mehr loslässt Dann schlägst Du zu - oder ein anderer Weil der Kopf nicht anders kann 3. Distanzmensch, verdammter! Unter Menschen spüre ich Insekten auf der Haut Spüre wie sie kriechen, krabbeln, kratzen und mich beißen Unter Menschen stelle ich mich lieber mal ins Abseits Bevor ich alles abfackel und mit Euch verbrenne! Der erste Kaffee morgens, Käfer in der Lunge Zu viele Zigaretten. Kaum erwacht schon angeekelt Voll gut - Tollwut!!! Alpträume, Bauchschmerzen, jeden Tag... Scheißtag Zu viel erlebt Missbrauchter Körper Alles ist Ihr scheißegal Distanzmensch, verdammter! Gesichter namenlos, Blicke ausdruckslos Tiefgefroren... Totgeboren Die alte Hure an dem Ende meiner Straße spuckt mir ins Gesicht und lallt sich Würmer aus der Nase Fick Dich!!! Wie soll ich anders? Warum sollte ich anders? In der Ruine... Wo all die tollen Mitmenschen GegenMenschen sind 4. Abgrundtief Die Lungen brennen und die monotone Gehirnvergewaltigungsmaschine kann wieder arbeiten Das Bohren, das Brennen in meinem Schädel Ich falle immer tiefer in ein dreckiges Meer aus Angst Aufgereiht auf eisernen Fließbändern Monotoner Gleichschritt stampfender Nicht-Lebewesen Kreischend und heulend drehen sich Gewinde durch das Fleisch Blitzende Starkstromfontänen mischen sich mit den blutigen Körpern Du bist die Kälte, der Faustschlag, die Leere Die Bosheit, der Abgrund Der Geruch nach verrostetem Stahl Nachts liege ich wach und am Tag bin ich tot Der Körper ist schon lange am Ende Der Kopf explodiert die Maschinen stehen still Knochen krachen Alles bricht zusammen 5. Paranoia Die Finsternis, aus der das Grauen kriecht Mit weiß aufgedunsenen Klauen nach mir greift Mich zu sich in die Tiefe zerren will In die endlose Schwärze, die die Augen taub werden lässt Höre nicht das Kratzen an kaltem Stein Erst als es spinnenartig mir entgegenblickt Erwache ich Wenn die eigene Wohnung die Hölle ist Weil man sich aus seiner Ecke nicht herausbewegen kann Mit der Angst, dass einem etwas aus dem Nichts In den Rücken springt Kratze Dir die Augen aus, damit Du nichts mehr siehst Stich Dir Drähte in die Ohren, damit Du nichts mehr hörst Verätze Dir die Nase - Nichts mehr riechen können Verbrenne Deine Haut Und Du wirst nie wieder etwas spüren 6. Durch die Nacht mit... Der Blick ist leer und trostlos Wie das Zimmer ohne Licht Er räumt die Wohnung auf Anstatt sein Leben Gespräche über gar nichts Aber immer lächeln Geschichte schreibt man selbst Und haut nicht ab! Die Hoffnung stirbt zuletzt Selten so gelacht Hoffnungslos am Ende Durch die Nacht Enden in Berlin ist doch scheiße! Und verenden sowieso! Zu lang bin ich auf Euren Straßen stumm gewandert, Zu lang hab ich Eurem Tod schweigend zugehört! Wenn das alles ist, begrabt Euch in Euren Städten Und fragt niemals nach dem Weg zurück 7. In Ohnmacht Im Radio spielen sie immer noch keinen Song von mir. Genaugenommen spielen sie seit gestern gar nichts mehr. Der Radiomoderator verabschiedete sich mitten im Satz und seitdem rauscht es nur noch. Nichts Ungewöhnliches, seit uns das vierte Reich endgültig in die vierte Welt katapultiert hat. Immerhin gibt es keine Jahreszeiten mehr. Und kaum Ausgrenzungen, weil mittlerweile alle gleich entstellt sind. Alle haben alles satt, aber trotzdem Hunger. Und fressen sich deshalb gegenseitig auf. Und zugehört wird auch nur noch denen, die schon zu viel Aufmerksamkeit haben. Weil die, die was zu sagen haben, schon längst über den Rand gefallen sind. In einer anderen Zeit, in einer anderen Welt wär's wohl nicht so weit gekommen. Vielleicht, denkst Du und kriegst die Augen nicht mehr zu. Auf der graugebrannten Wiese kopulieren Paare mit Narben und Schuppenflechte überzogenen Leibern und tauschen gegenseitig ihren Eitergeruch aus. Aus den verkrusteten Mundwinkeln tropft Speichel und weicht brüchige Wunden auf. Knochenkörper, die sich aneinander reiben wie raue, staubige Gipsfiguren. Bewegungen erinnern an kranke Insekten. Sie zittern und ergießen sich ineinander. 8. Atomkinder und Vogelmenschen Feuer - Rauch - Hitze - Schreie Aufgewacht... Noch verklebt, der Körper nass und blutig In einer gesplitterten Schale aus Beton Liegt das neugeborene Ding Halb Mensch, halb tot Gekrümmt die ersten Schritte Jede Bewegung reiner Schmerz Die Arme vom Körper gestreckt Krächzend die ersten Laute Humpelnd - Hilflos Dem Licht entgegen Der Boden schwindend Die Arme schwingend Flügel aus Knochen, Fleisch und Lumpen Flieg... Flieg... Vor einem schwarz verkohlten Baumskelett Liegt ein schwarz verkohlter Mensch Und im heißen Dunst der Morgenröte Eine einsame Feder unter Lumpen nervös zittert Eine Straße... Links und rechts Feuerwände Am Ende ein Baumskelett Vor der roten Sonnenscheibe 9. Hiroshima Hundertzweiundachtzig Tage unter fremder Sonne Leer und kalt Ausgebrannt Flucht nach vorn Weg von hier Weg von allem Weg von mir Higashihiroshima Hinter jedem mit Lumpen verhängten Fenster Sterben, starren sie aus aufgedunsenen Augenhöhlen Hinter von Zerfall verdorrten Mauern Sterben, starren sie aus aufgedunsenen Augenhöhlen