Nocte Obducta - Irrlicht (Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz)


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1. Zurück im bizarren Theater 7:54 1. Zurück im bizarren Theater 7:54 1. Zurück im bizarren Theater 7:54
2. Von Stürzen in Mondmeere 6:47 2. Von Stürzen in Mondmeere 6:47 2. Von Stürzen in Mondmeere 6:47
3. Rot und Grau 7:30 3. Rot und Grau 7:30 3. Rot und Grau 7:30
4. Der Greis und die Reiterin 3:44 4. Der Greis und die Reiterin 3:44 4. Der Greis und die Reiterin 3:44
5. Der alte Traum 9:29 5. Der alte Traum 9:29 5. Der alte Traum 9:29
6. Bei den Ruinen 6:12 6. Bei den Ruinen 6:12 6. Bei den Ruinen 6:12
7. Noch 10:29 7. Noch 10:29 7. Noch 10:29
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1. Zurück im bizarren Theater

Nur herein, hereinspaziert
Derweil es draußen schneit und friert
Wird heut’ ein Stück hier aufgeführt
Das zweifelsfrei das Herz berührt

Verblichene Poeten schrieben Dramen im Delirium
Berauscht von vielen Weinen und den Nebeln ihrer Liebe
Unglücklich, doch voller Lust und voller Wein und Opium
Was, wenn der Tod mit ihrem Federkiel die Stücke schriebe

Auf den dunklen Bühnenbrettern, seht, stolzieren schwarze Raben
Und der Darsteller des Königs wankt in grobem Missgeschick
Rudert mit den Armen und stürzt plump in den Orchestergraben
Celli übertönen aufgeschreckt das brechende Genick

Romantik alter Burgruinen
Wie befreit von Raum und Zeit
In dieser Nacht ein junges Glück
Im Bann der trauten Zweisamkeit
Genieße diese Nacht, mein Freund
Und als ins Publikum er sah
Verstand er nicht, ob’s in den Blicken
Eintracht oder Argwohn war
Es stürzten die Ruinenmauern
Teilnahmslos, gelangweilt, bleich
Schien schal der Mond aufs Trümmerfeld
Ein altes Grab für junges Fleisch

Verehrtes Publikum
Andächtig hebt die Kristallgläser
Und trinkt auf den Tod eines Clowns

Und anonyme Liebende sinken seufzend in die Disteln
Irgendwo im Nachspiel
Irgendwo im Abspann


2. Von Stürzen in Mondmeere

Mare Serenitatis
Das Land des Lachens lockt die Liebenden
Der Kuss des Morgensterns weckt wohlig warme Wünsche
Das süße Sehnen schmeichelt einem hoffnungsfrohen, kleinen Kind, das ohne Augenlicht die
Himmel sieht
Die Frucht aus Fleisch verheißt dem Narren Glück
Der Duft der Zärtlichkeit zerstreut die zahmen Zweifel
Der blinde Bittsteller bestaunt die Schönheit, die am Himmel majestätisch bleich erhab’ne
Bahnen zieht

Mare Frigoris
Nicht jeder Tod beginnt mit Sterben
Nicht jede Hoffnung schwindet sanft
Es wirft das Ende seine Schatten nicht voraus, wenn gnadenlos und hoch der volle Mond am
Himmel steht
Nicht jedes Wagnis birgt ein Scheitern
Nicht jedes Scheitern bringt den Tod
Doch jeder Tod verhöhnt das Wagnis, wenn das Ende unversehens mit dem Frost vom
eis’gen Mond her weht

Mare Crisium
Es sind die tiefen Seen, die tiefen Augen, die uns locken
Dort im edlen, eb’nen Antlitz einer Hoffnung, die uns nährt
Es ist die warme Haut, die unter unsren schwachen Händen bebt
Das Fieber, das ein Land formt, in dem Glück auf ewig währt
Es sind die kalten Wasser dieser Meere, die uns lähmen
Dort über lichtlosen Tiefen, trügerisch umspielt von Schaum
Und dann ein jähes Sinken, ungeseh’n und bald vergessen
Das Fieber ist die Wahrheit und das Land ein Traum – nichts weiter als ein Traum


3. Rot und Grau

Ich schlucke blutiges Brot
Es quillt der rote Saft aus Teig und aufgeplatzten Lippen
Rinnt warm den mageren Arm hinab
Und tropft von aufgeschürften Ellenbogen
Hinunter auf schmutzige Dielen
So dass es klingt wie müder Regen in dickflüssigen Pfützen
Manchmal ist ein Klumpen Blut geronnen
Ein jeder Bissen knackt und knirscht wie Knochen junger Vögel
Mein Herz zuckt auf einem verdreckten Teller
Auf einem morschen Tisch
Und in meine offene Brust tropft Salz von meinen roten Augen

Ich breche einsam Brot – Wundgrind, Gift und mürber Teig
Schlaflos schon seit Monden
Ein Heim, in dem kein Gast mehr weilt
Und draußen hinter ihres Augenlichts beraubten Fenstern
Würgt die Leere hinter Wegen, die verheert, ungangbar sind
Die schweren, grauen Nebel, die tilgen, was sich nicht bewegt
Geröllbedeckte Hänge hinab
Wo Angst um einen Ausweg fleht
Bevor das Nichts in meine Kammern zieht
Wo man nicht einmal meinen Schatten sieht
Der sich verliert im zähen Dunst


4. Der Greis und die Reiterin

Einst fragte ich in tiefer Nacht den alten Mann
Der mir aus dem Schwarz der Spiegel stumm entgegenblickte
Was raubt dir Schlaf und Seele, raubt dein Morgenrot?
Und er sah mich an und lächelte nur kurz, als trüb er nickte
Es ist die Angst vor Taubheit und doch die Angst vor lieblichem Gesang
Der dich taub macht für den Klang der Hufe eines bleichen Pferds

Es war damals im fünften Mond
Von tausend Schlachten ausgeblutet und verheert war das Land
Als sie im Lichtkranz neuen Lebens dort am Horizont stand

Das Unheil kam als Königin am Ende eines Krieges
Verderbnis, die in süßen Liedern um mein Herz sich schloss
Ihr Licht durchflutete das Land mit trügerischem Frieden
Und vor den Toren thronte sie auf einem fahlen Ross


5. Der alte Traum

Als ich in den Abgrund sah, dem eben ich entstiegen
Dort zu meiner Rechten
Ein stummes, zähes Schattenmeer
Da wollte ich schon friedvoll seufzen
Blicken auf die Wiesen, auf die Felder, auf das Land
Doch sah zu meiner Linken dann
So plötzlich, kalt und unerbittlich
Einem schroffen Mahnmal gleich die nächste steile Felsenwand
Und irgendwo darüber erst
Wie ein Leuchtturm eines fernen Ufers
Irgendwo darüber erst
Den letzten Rest der Sonne

Was ist ein Pfad, der nur nach oben führen kann
Wenn er so steil ist, dass der müde Fuß verzweifeln muss
Wenn er nur gen Himmel strebt, weil jeder verfluchte andere Weg
Ein blinder Tanz am Abgrund ist
Ein bodenloses Bangen um den alten Traum von der Geborgenheit

Die Bürde geht, die Schwere bleibt
Und wenn das alte Herz auch lebt
So schlägt es nur von Zeit zu Zeit
In einem schalen Missklang
Der sein Blut vergessen hat
Hässlich wie der Tag in einer grauen und kinderlosen Stadt


6. Bei den Ruinen

Die Brücken geborsten
Die Stadt in Trümmern
Es säumen die breite Straße in ihr ausgebranntes Herz
Kolossale, spröde, mitleidige Skulpturen
In steinernen Augen einen bleiernen Schmerz
Die Schönheit in Scherben
Verderbt die Alleen
Auf dem Fluss, der den Anfang von Großem sah, treiben die kindlichen Leichen
Vergangener Tage
Verlorener Wege
Verratener Pläne
Verworfener Bilder
Verwitterter Zeichen

Es winken bleiche Hände mich hin zu einem Ende
Es soll beginnen bei den Ruinen

Die fahle Schönheit in den Nebelschwaden
Am Rande der Ruinenstadt hinter den Nekropolen
Sie mag ein Trugbild sein
Doch wenn nur noch das Irrlicht bleibt als einz’ger Schein
Dann soll der Tod mich holen
Denn jeder stirbt allein
Doch wenn da Gnade ist
Hinter unseren kollabierten Städten
Dann soll mein banges Herz, das weiterzieht, mich retten
Es bersten weiter Brücken hinter mir


7. Noch

Der Blick in warmes Morgenrot
Blutjunge Knospen, die wie grüner Nebel Bäume kleiden
Das alles ist vertan, verlor’n
Die Sonne blind
Es lahmt der Wind
Die grünen Nebel sind erfror’n

Der Blick auf Äcker, satt und weit
Die ersten Vögel, die die Welt, die vor uns liegt, begrüßen
Mit einem Mal kein Singen mehr
Der Morgen stumm
Die Äste krumm
Von kalten Vogelleibern schwer

Der Blick auf Ufer sanft und reich
Handwarmes Salz, das Spuren lenkt im Sand neuer Gestade
Das alles war ein kühner Traum
Das Neuland bricht
Der Schein erlischt
Den Puls des Lebens stört es kaum

Weil dieser Puls, weil jedes Jahr
Nichts weiter als nur Glaube war
Doch Glaube ohne Morgenrot ist weiter nichts als Hoffen
Und wen, das fragt das müde Herz
Und wen soll das noch kümmern …




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