Agrypnie
Grenzgænger
1. Auferstehung
Nach schier endloser Zeit
Den beschwerlichen Weg
Aus der finsteren Tiefe gefunden
Grell blendend empfängt mich das Licht
Kaum befähigt meine Augen zu öffnen
Vom stetig belastenden Druck
Auf meinem gemarterten Körper befreit
Die Gefangenschaft der Geister der Vergangenheit
Hat endgültig ihr Ende gefunden
Beinah unmöglich der mühsame Aufstieg
Unzählige Schritte treffen ins Leere
Den Blick fest fixiert auf die Etappe dicht vor mir
Das Ziel weit jenseits der Vorstellungskraft
Jedem Absturz zum Trotz folgt prompt der nächste Aufstieg
Der Körper schwer gezeichnet ob der ewigen Strapazen
Und ganz plötzlich ohne Vorwarnung
Sehe ich den Horizont und bin nun endlich wieder frei
Beim Blick in den Spiegel
Lächelt mir mein ärgster Feind entgegen
Hält mir Tag für Tag stet meinen inneren Kampf vor Augen
Ein harter Schlag zerbricht dies Bild in tausend kleine Teile
Stück für Stück entsteht ein gänzlich neues Bild von mir
Euer ekelerregender Hohn und Gespott
Liegt mir heute noch in meinen Ohren
Jedes noch so kleine Zeichen von Schwäche
Landet als Faustschlag in meinem Gesicht
Doch wer einmal den Wind sät
Wird irgendwann auch den Sturm dazu ernten
Und das letzte was ihr jemals zu Gesicht bekommt
Ist die kalte Klinge die tief in eure Brust versinkt
Eines Tages stehst du ganz alleine am Scheideweg deines bisher vergangenen Lebens
Blicke kurz nur zurück und lass dann dein altes Leben in der Vergangenheit sterben
Von den Toten auferstanden, doch vernarbt und gezeichnet vom Siechtum im toten Trakt
Den letzten noch fehlenden Schritt unternommen, der Abgrund liegt dunkel und tief hinter dir
Auch heute verfolgt mich der lauernde Gegner noch immer hinter dem gekitteten Spiegel
Doch das selbstsichere Grinsen des Zerrbildes ist einer steinernen Miene gewichen
Mit jeder blutig gewonnenen Schlacht nähert sich das Ende des ewigen Krieges
Doch wie lange wirst du wirklich ruhen, bis dein Antlitz mir wieder herrisch entgegen grinst
Von den Toten auferstanden, doch vernarbt und gezeichnet vom Siechtum im toten Trakt
Den letzten noch fehlenden Schritt unternommen, der Abgrund liegt dunkel und tief hinter mir
2. In die Tiefe
Nebel zieht auf
Erstickt die Wahrnehmung
Leere hält Einzug
Und tilgt das Lodern am Horizont
Den Ursprung verloren
Kein Ziel mehr in Sicht
Die Schritte erlahmen
Es folg der tiefe Fall ins bodenlose Nichts
Konturloser Raum
Die Zeit zersplittert in Scherben
Reißt klaffende Schnitte
In den dahinschwindenden Geist
Kein Gedanke verankert
Den Halt längst verloren
Treibend im Mahlstrom
Die Gestalt verwirkt für immer die Substanz
Glanzlos dein trüber Blick
Ein letztes Schaudern durchdringt deinen erschlaffenden Körper
Stille flutet deine Welt
Spült deinen Willen in die grenzenlose Weite
Kein Licht wird dich leiten
Denn dein Weg führt unaufhaltsam in die Tiefe
3. Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit
Sie dreht und dreht und dreht mich
Sie zieht und zieht und zieht mich
Nach vorn - zurück, nach vorn - zurück, nach vorn - zurück
In inn'rer Nacht, in inn'rer Nacht, sie macht mich schwindeln
Sie zerrt und zerrt und zerrt - zerrt an mir
Sie zerrt und zerrt und zerrt - zerreißt mich
Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht
Ich wage es nicht jetzt hinzuseh'n
In Licht muss vergeh'n
Sie fließt und fließt und fließt - durch mich
Sie fließt und fließt und fließt - frisst in mir
Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht
Ich - wage es nicht weiter zu geh'n
In Fluten muss steh'n
Ein Fluss aus dunkelndem Gestern
Strömt durch dich zu dunkelndem Morgen
Was du hälst, es schwindet
Wonach du greifst, zerrinnt
Doch in dir tief die Ewigkeit
Sie wacht an Quelle und an Meer
Sie sitzt an Flusses beiden Ufern
Erkennt und lässt dein angstvoll' Selbst
In ihre einend' Stille
Vergänglich nur die Zeit
Die zeigt mir Mal um Mal um Mal
Dass nie mein Sein vergeht
Dass Formen feiern fließend' Feste
Erhellt von dem, was tief in mir
Vergänglich nur die Zeit
Als Spiegel nackter Ewigkeit
Vergänglich nur die Zeit
Bewusste Tiefe ist und bleibt
Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit
4. Nychthemeron
Monotoner Schall durchdringt die Stille in den Straßen
Nocturne Schattenspiele begleiten mich auf meiner Reise
Vereinzelte Wogen im ebbenden Ozean der Lichter
Unerbittlich eilt das Stundenglas in Chronos alten müden Fingern
Die Brücke aus Glas liegt längst in Scherben
Bedeckt unter der Asche der Erinnerungen
An deinem Bildnis nagt der Zahn der Zeit
Geronnen das Rot in den zerschnittenen Händen
Erloschen sind die Lichter des Leuchtturms
Das Schweigen der Brandung tost lautstark in den Ohren
Die Weite aus dem Blickfeld verschwunden
Die Strömung des Nordens weicht dem Strudel der alltäglichen Monotonie
Verschollene Träume, fiebrig flimmernde Bilder
Im Kegel des Lichts erneut zum Leben erweckt
In Mondlicht getaucht zieht die Landschaft stumm vorbei
Gebrochen der Bann, an ein durch euch definiertes Leben
Die Flammen lodern unerbittlich fordernd in die Höhe
Ein letzter Blick zurück auf euren lichterloh brennenden Horizont
Eure sterbende Welt liegt in den letzten schweren Atemzuügen
Kein Funke der Trauer entzündet sich in meinem nur noch glimmernden Herzen
Die Flammen lodern unerbittlich fordernd in die Höhe
Ein letzter Blick zurück auf euren lichterloh brennenden Horizont
Siedend wütet die brüllende Sturmflut, Gischt die Haut bis auf die Knochen verätzt
Aschezeitalter - spurlos wird eure Geschichte verschwinden
Monotoner Schall durchdringt die Stille in der fernen Weite
Erlösend der Blick auf die ruhende See am greifbaren Horizont
Am Ende der Reise, kein Weg mehr beherrschbar
Unerbittlich eilt das Stundenglas in Chronos alten müden Fingern
5. Grenzgænger
Die Augen geblendet und taub das Gehör
Der Körper zerschunden, kauernd auf den Knien
Haltlos rinnt der Geist aus der missbrauchten Hülle
Jeder Schrei erstirbt in der zerfetzten Kehle
Der Wille gebrochen und die Sinne vernebelt
Der Geist gefangen im Bann deiner Rage
Der Abgrund dicht vor mir, kein Weg führt mich heimwärts
Verloren im Grenzland, mutlos und einsam
In den Schatten versteckt, geduldig auf der Lauer
Jedem meiner Schritte arglistig folgend
Von Hass und Verderben dein Wesen getrieben
Eine lautlose Bedrohung deine marternde Präsenz
Unruhig durchstreifst du suchend das Grenzland
Kennst meine Schwächen, erweckst mein Verlangen
Nur ein kurzer Moment der Unachtsamkeit
Schon stehst du dicht vor mir, hämisch dein Grinsen
6. Die Waisen des Daidalos
Jeder Nachhall von klaren Gedanken stirbt an nackten Mauern
Und jeder vierte Atemzug ist leer und ohne Kraft
Vielleicht soll die Endlosigkeit der Mauern dich bewahren
Vor einer tiefen Wunde die im Leben draußen klafft
Jede Nacht der gleiche Irrweg durch die Windungen des Hirns
Und jeder dritte Atemzug scheint blutleer zu vergeh'n
Vielleicht ist jeder neue Weg die Blindheit die es braucht
Das Stolpern durch die Ausweglosigkeit zu überseh’n
Jeder Pfad in diesen Mauern ist ein Pfad wie der zuvor
Und jeder zweite Atemzug nur noch ein schwaches Zittern
Vielleicht sind die Gerippe der Verirrten in den Gängen
Alles Leichen deines Selbst die hier seit Jahren schon verwittern
Denn all die Furchen im Gestein dort im Staub zu deinen Füßen
Sind die Spuren deiner Suche, die dich jeden Morgen grüßen
Nichts als Suche, nichts als Trug - Atemzug um Atemzug
7. Die längste Nacht
Erinnerst du dich noch an jene Nächte deiner Kindheit
Gefangen in der Finsternis - dein Körper fesselt dich ans Bett
Monster die in Augenwinkeln hausen
Und kein Schrei nach Hilfe rettet dich aus deiner abgrundtiefen Pein
Gleich einer Motte kreist du in Bahnen ums Licht
Das einstige Grauen tief in dir begraben
Den eisigen Klauen der Schemen entkommen
Der nächtliche Terror liegt weit zurück
Gleich einer Motte kreist du in Bahnen ums Licht
Frei kommst du dir vor
Doch ganz gleich was der Tag dir auch bringt
Glaub mir die Monster, sie warten noch immer im Schatten auf dich
Das Licht des Tages in jenen Nächten herbeigesehnt
Beherrscht von der Angst vor den lauernden Schatten hinter den bleiernen Lidern
Die Geräusche des Alltags vergebens herbeigesehnt
Zwischen dir und den Anderen liegt nur ein einzelner Schlag deiner Wimpern
Gleich einer Motte kreist du in Bahnen ums Licht
Die Furcht vor der nahenden Nacht längst vergessen
Glaubst an ein Ende der Heimsuchung
Unfähig zu sehen was vor dir liegt
Gleich einer Motte kreist du in Bahnen ums Licht
Frei kommst du dir vor
Doch ganz gleich was der Tag dir auch bringt
Glaub mir die Monster sie warten noch immer im Schatten auf dich
Und ganz gleich was du tust es gibt kein Entkommen
Zwischen dir und den anderen Anderen liegt nur ein einzelner Schlag deiner Wimpern
8. Zu Grabe
Beinahe greifbar stehst du wieder vor mir
Wie ein Virus befällt Schwäche meinen Körper
Vergebens gerungen in vernebelten Nächten
Mit betäubtem Geist zerfallene Träume zu verbannen
Unzählige Schritte doch keiner mindert die Distanz
Die Worte versiegt, schweres Schweigen auf den Lippen
Tagtäglich immer weiter voneinander entfremdet
Und was einstmals verband liegt nun im Reich des Vergessens
Wortlos deine Hand zu einer Geste erhoben
Kärglich gefestigt bersten mühevoll erbaute Dämme
Haltlos in der Tiefe deines Blickes ertrinkend
Tränen rinnen bitter über meine zu Stein erstarrte Miene
In Verzweiflung flehend um eine letzte Berührung
Doch dein Körper zerfällt gestaltlos zu Staub
Der Wind verweht die letzten Spuren von dir
Meine Erinnerung an dich trage ich für immer zu Grabe
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